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Update 09.04.2021

Liebe Freunde & Familie,

am Montag, den 12.4. jährt sich ja der Todestag von Mama.

Dieses eine Jahr ist so schnell vergangen. Jetzt, wo der Todestag näher rückt, denken wir natürlich vermehrt an Mama und müssen feststellen, dass diese Lücke, die sie hinterlassen hat, nach wie vor sehr groß ist. Auch wenn wir weiter machen und das Leben weiter geht, vermissen wir sie in so vielen Situationen und an vielen Tagen. Vielleicht geht es euch ähnlich.

Da wir noch immer in der Pandemiesituation sind und persönliche Treffen schwierig sind, möchten wir diejenigen unter euch, denen dieses Gemeinschaftsgefühl ebenfalls fehlt, vorschlagen, am

Montag, den 12.4. um 15 Uhr für 5 Minuten ein paar Gedenkminuten einzulegen.

Wir werden das auf alle Fälle machen und hoffen, dass uns das mit euch und natürlich mit Mama / Lu-Hu / Tille / Angelika etwas näherbringt.

Ansonsten haben wir nach wie vor die Idee das Lu-Hu Fest eines Tages stattfinden zu lassen, aber in der aktuellen Situation können wir noch nicht abschätzen, wann das sein wird, vergessen ist es aber auf keinen Fall!

Jetzt hoffen wir, dass es euch allen gut geht, ihr alle gesund seid und gut durch diese nach wie vor wilden und unsicheren Zeiten kommt.

Fühlt euch alle gegrüßt, alles Liebe, eure

Hanna, Markke & Lena

Update 14.12.2020

Das Beet am Gottesauer Schloss hat nun endlich ein kleines Schild. Jetzt sollte es auch besser zu finden sein, und wer mag, kann einfach mal vorbeischauen.

Uns geht es übrigens gut soweit. Wir vermissen Mama nach wie vor, und je länger sie nun weg ist, desto klarer wird aktuell, wie groß diese Lücke doch ist, und dass es noch eine ganze Weile dauern wird, bis die Lücke so ausgestaltet ist, dass es nicht so sehr schmerzt.  Wir merken dadurch aber auch immer mehr wie glücklich wir uns schätzen dürfen so eine Mutter gehabt zu haben, von der wir so viel lernen und erfahren durften, und die einfach etwas ganz Besonderes war.

Wir wünschen euch allen, dass ihr weiterhin gesund bleibt, gut durch diese wilden Zeiten des Wandels kommt und trotz allem die Vorweihnachtszeit mit vielleicht noch mehr Ruhe und Besinnlichkeit oder Selbstfokussierung als in anderen Jahren genießt.

Viele liebe Grüße, eure
Hanna, Markke & Lena

Tilles Beet der Fächergärtner am Marstall, Schloss Gottesaue

Update 24.08.2020

Liebe Freunde von uns und von Mama, Tille, Angelika, Lu-Hu,

wir wollen uns einmal wieder melden mit aktuellen Neuigkeiten und Entwicklungen.

Seit unserer letzten Mail und der Beerdigung im Friedwald im Juni haben wir versucht, das Lu-Hu Fest, welches sich Mama gewünscht hat und welches wir gerne durchführen wollen, zu organisieren. Wir wolltn dieses Fest an der Waldorfschule stattfinden lassen, weil wir denken, dies ist die beste Örtlichkeit für ein solches Treffen, sowohl was den möglichen Platz angeht, als auch aufgrund der Tatsache, dass Mama hier so viel bewirkt und erwirkt hat und die Schule fest mit ihrem Leben verbunden war. Nicholas Dodwell hat uns dankenswerter Weise sehr dabei unterstützt, hier eine Möglichkeit zu schaffen.

Leider müssen wir jedoch in der aktuellen Corona Situation und den damit verbundenen Risiken, Gefahren und Ängsten feststellen, dass wir ein solches Fest, so wie wir es uns vorstellen, nicht in 2020 durchführen können. Daher müssen wir euch für das Lu-Hu Fest 2020 schweren Herzens absagen.

Wir stellen uns jedoch vor und werden daran weiter arbeiten, ein solches Fest noch stattfinden lassen zu können, vielleicht im März / April 2021, je nachdem wie die Pandemielage dann aussehen wird und wie wir mit der Waldorfschule eine Lösung finden können.

Bis es dann wirklich zu einem solchen Fest kommt gibt es aus unserer Sicht weiterhin 3 Möglichkeiten, wo und wie ihr an Mama denken / gedenken / erinnern könnt:

– Der Friedwald, in dem Mama begraben ist: Friedwald Schwaigern, Baumnummer SWA 4452

– Das Beet am Gottesauer Schloss (Bild oben), das Caro pflegt und hegt und welches, so wie wir denken, genau in Mamas Sinne wild und schön aussieht (die Wegbeschreibung findet ihr hier ).

– Diese Website – schreibt uns weiterhin eure Erinnerungen, Gefühle, Gedanken zu euch und zu euren Erlebnissen mit Mama / Angelika / Tille / Lu-Hu

Für uns Kinder müssen wir sagen, beginnt das Begreifen und Verarbeiten der Endgültigkeit eigentlich erst jetzt so richtig. Wir versuchen aktuell diesen Spagat zwischen „die Welt dreht sich weiter“ und „Anhalten, Begreifen und Erinnern“ in unsere Alltage zu integrieren und freuen uns daher weiterhin von euch zu hören, eure Erinnerungen zu lesen mit euch in Kontakt zu bleiben.

 Fühlt euch alle gegrüßt, kommt gut durch die Sommerzeit und bleibt gesund!

Viele liebe Grüße, eure
Hanna, Markke & Lena  

Update 29.06.2020

Liebe Freunde von uns und von Mama, Tille, Angelika, Lu-Hu,

wir hoffen, es geht allen in diesen nach wie vor spannenden Zeiten gut und ihr seid alle gesund und wohlauf. Wir wollen euch wieder einmal auf den aktuellen Stand der Dinge bringen, die letzten Wochen sind schnell vergangen und es ist nun schon fast 3 Monate her, dass Mama nicht mehr da ist.

Wir hatten am Samstag, den 20.6.2020 mit der Familie die Verabschiedung im Friedwald. Das war sehr schön, wenngleich natürlich auch traurig. Bilder hierzu findet ihr bei den Momentaufnahmen. Es tut uns leid, dass wir den Kreis nicht erweitern konnten, aber es war denke ich am Ende gut so wie es war.

Und es gibt für alle natürlich ab jetzt jederzeit die Möglichkeit, selbst in den Friedwald Schwaigern zu fahren und den Baum zu besuchen, an dem Mama begraben liegt.

Friedwald Schwaigern, Baumnummer SWA 4452

Neben ein paar Worten, die Hanna und Lena gesagt haben und einem sehr schönen und passenden Gedicht von einer sehr guten Freundin vorgetragen, haben wir Kinder uns noch an der Gitarre und mit dem Lied “Bella Ciao” versucht. Mama hätte sich sehr gefreut uns so zusammen musizieren zu sehen.

Außerdem gibt es nun auch einen weiteren Ort, an dem man sich gerne treffen kann und sich Mama näher fühlen kann: ein Beet der Fächergärtner am Marstall / Schloss Gottesaue . Sie war ja immer gerne am Gottesauer Schloss unterwegs und Ihre Freundin Caro hat dort jetzt ein Beet organisiert, an dem kann man gerne einmal vorbei schauen kann. Wir arbeiten noch an einem Schild, aktuell steht da einfach “Carola”, eine kleine Wegbeschreibung zum Beet findet ihr auf dieser Seite ganz unten (*) , Bilder findet ihr bei den Momentaufnahmen. Es ist ein schöner Platz und eine schöne Idee, vor allem für alle, die in Karlsruhe wohnen, Danke Caro!

Wir werden nun die Planung und Terminfindung für das Lu-Hu Fest angehen, natürlich mit der nach wie vor präsenten Corona-Situation immer unter Vorbehalt, aber es stehen einige September- und die ersten 2 Oktoberwochenenden auf der Liste, alles weitere befindet sich noch in Klärung. Sobald wir mehr wissen (wo und wann), kommunizieren wir dazu natürlich wieder.

Zum Schluss möchten wir mit euch noch das Gedicht teilen, das Heidi uns am Samstag vorgetragen hat und wünsche euch hiermit allen, dass ihr den Sommer genießen könnt und es euch gut gehen lasst!

Viele liebe Grüße

Hanna, Lena und Markke

Lebendig ist wer wach bleibt
sich den anderen schenkt
das Bessere hingibt
niemals rechnet.  

Lebendig ist wer das Leben liebt
seine Begräbnisse seine Feste
wer Märchen und Mythen
auf den ödesten Bergen findet.  

Lebendig ist wer das Licht erwartet
In den Tagen des schwarzen Sturms
wer die stilleren Lieder
ohne Geschrei und Schüsse wählt
sich zum Herbst hinwendet
und nicht aufhört zu lieben.  

(Luigi Nono)

(*) Wegbeschreibung zum Beet:
Schlachthausstraße 6, 76131 Karlsruhe
Wenn man von der Strassenbahnhaltestelle kommt (Linie 6), Haltestelle Schloss Gottesaue, über den Weg gerade auf das Marstallgebäude zu, und nach dem viereckigen Kastenhochbeet (Indinanerbeet: Mais, Bohnen, Kürbis), das nächste Beet Richtung Gebäude: oval , mit Salbei, Thymian, Lavendel, Rose, Nachtkerze, Johanniskraut, Kamille

Briefe aus Cottbus

Vielen Dank, liebe Giraffengruppe, für Euren Brief!

Nachruf_ANGELIKA

Liebe LuHu,

im Jahr 2014 haben wir uns kennengelernt. Ich habe gerade viele Veränderungen in meinem Leben vorgenommen. Da kamst du gerade recht. Du warst schon bei unserer ersten Begegnung so herzlich, dass ich dich sofort in mein Herz geschlossen habe.
Soviel hast du uns beigebracht in den Ausbildungen, nicht nur Mediation, sondern die wichtigsten Grundlagen dafür. Nämlich bedingungslose Wertschätzung, Liebe, Humor und achtsame Wahrnehmung. Jedes Gespräch mit dir war ein Stück des neuen Selbsterfahrungs-pfades, denn ich habe mich selbst dadurch immer besser kennengelernt.
Du hast die Dinge ausgesprochen, welche ich gefühlt habe aber nicht mal ansatzweise in Worte fassen konnte. Du hast mich immer wieder ermutigt meinen Weg zu gehen und meine Vorstellungen zu verwirklichen. Du hattest für alle und alles immer positive Worte, hast immer geholfen und mit einer ordentlichen Portion Humor für angenehme Stimmung gesorgt. Negative Gedanken wurden sofort transformiert.

Dafür danke ich dir von ganzem Herzen.

Jetzt bist du an einem besseren Ort und schaust was wir so machen. Ich werde weitermachen, für dich, für alle die es wünschen und brauchen. Und ich habe tolle Unterstützer, das weißt du.

Manu aus Cottbus (August 2020)

Angelikas erste Klasse

Der folgende Brief hat uns sehr berührt. Er stammt von Mamas erster Klasse an der Waldorfschule Karlsruhe, die sie von 1998 bis 2003 ein Stück auf ihrem Lebensweg begleiten durfte.

 Liebe Frau Ludwig-Huber, liebe Angelika, liebe Lu-Hu,

wir sind sehr betroffen und traurig über die Nachricht Deines Todes, wir, Deine Klasse, mit der Du so viel Musik gemacht hast, Freizeiten, Klassenfahrten bis Kroatien und die Du immer wieder zu so vielem motiviertest: Zum Lernen, zum Musizieren, zum Denken, zum Reflektieren über die eigenen Ansichten und Gedanken, das Leben, die Welt. Du hast uns ermutigt, stark und wachsam zu sein, unsere Zukunft zu gestalten, einzustehen für uns und für hohe Ziele wie Freiheit, Fairness und Frieden. Du bist mit uns demonstrieren gegangen, hast als Lehrerin auch mal ein Auge zugdrückt, wenn wir uns „finden“ mussten und hattest einfach immer ein offenes Ohr für unsere Sorgen und Träume. Du warst besonders, als Lehrerin und als Mensch. Du warst rebellisch, herzlich, rücksichtsvoll, vermittelnd und direkt. Unrechtes wurde sofort an- und ausgesprochen und gemeinsam nach einer Lösung gesucht, die alle zufrieden stellte. Vielleicht lernten wir bei Dir deswegen so gern, weil Du immer das lebtest, was Du gelehrt hast. Wir konnte Dir das einfach zu jeder Zeit abnehmen. Du hast uns belehrt, ohne uns den Freiraum zu nehmen, unseren Weg zu gehen. Und dann war da immer wieder die Musik: Jeder konnte mitmachen, spielen, singen, Musikwünsche äußern. Da gab es kein Richtig oder Falsch, sondern nur Deine praktizierte Hingabe, uns Menschenkindern zu vermitteln, dass jeder seine Musik hat, finden und leben kann. Sei es das In Paradiesum von Fauré, Bohemian Rhapsody von Queen, Mozarts Requiem, Beethovens Sinfonien, oder Somewhere over the rainbow von Israel Kamakawiwoʻole: Von den Gregorianischen Chorälen bis zur Minimal Music lehrtest Du uns, die Musik zu lieben und zu achten und vor allem uns darüber auszudrücken. Und Du hast uns ihre magische Wirkung nahe gebracht: Sie trennt nicht sondern sie verbindet, sie wertet nicht sondern wertschätzt, sie verachtet nicht sondern liebt.

So viele Augenblicke haben wir mit Dir erlebt, so viele Augenblicke kommen uns heute in den Sinn, wenn wir um Dich trauern… Konstantin Wecker preist den Augenblick mit diesen Worten:

Jeder Augenblick ist ewig,
wenn du ihn zu nehmen weißt –
ist ein Vers, der unaufhörlich
Leben, Welt und Dasein preist.

Alles wendet sich und endet
und verliert sich in der Zeit.
Nur der Augenblick ist immer.
Gib dich hin und sei bereit!

Wenn du stirbst, stirbt nur dein Werden.
Gönn´ ihm keinen Blick zurück.
In der Zeit muss alles sterben –
aber nichts im Augenblick.

Du musstest sterben, obwohl du bis zuletzt eine Kämpferin geblieben bist und das Leben bejahtest. Du wusstest, dass dein Ende kommt und wolltest auch dann noch Mut machen, an das Leben zu glauben, auch an ein Dasein nach dem Tod. All die vielen Augenblicke mit Dir lassen Dich in wundervollen Erinnerungen ewig weiterleben liebe Lu-Hu – intensiver und wirkungsvoller, als Du dir es vielleicht jemals hättest vorstellen können. So wird dein Wirken weiterleben, in jedem von uns. Wenn wir Augenblicke mit Dir in uns aufleben lassen, sie mit anderen teilen oder reflektieren, lebt Dein wertvoller Impuls fort. Ein aufmerksamer Augen-Blick oder ein Lächeln von Dir über das Dirigierpult, ein aufmunterndes Wort, Dein Lachen oder einfach nur eine stille Geste, all diese Augenblicke prägten unser Leben als Teenager und bis heute. Mit diesen geschenkten Augenblicken bist Du unsterblich geworden und wir tragen weiter, was dir wichtig war. In uns und in die Welt hinaus. In liebevoller Erinnerung und Dankbarkeit, deine Klasse (1998-2003)

Zusammen mit dem wunderschönen Brief hat uns folgendes Portrait erreicht, das von einer Schülerin der Klasse gezeichnet wurde.

Invictus (Unbezwungen)

Nelson Mandela zitierte das Gedicht in den Jahren seiner Gefangenschaft immer wieder, um Kraft und Trost zu finden:

Out of the night that covers me,
Black as the pit from pole to pole,
I thank whatever gods may be
For my unconquerable soul.

In the fell clutch of circumstance
I have not winced nor cried aloud.
Under the bludgeonings of chance
My head is bloody, but unbowed.

Beyond this place of wrath and tears
Looms but the horror of the shade,
And yet the menace of the years
Finds and shall find me unafraid.

It matters not how strait the gate,
How charged with punishments the scroll,
I am the master of my fate:
I am the captain of my soul.

(William Ernest Henley, veröffentlicht im Jahre 1875)

Übersetzung ins Deutsche

Aus finstrer Nacht, die mich umragt,
durch Dunkelheit mein’ Geist ich quäl.
Ich dank, welch Gott es geben mag,
dass unbezwung’n ist meine Seel.

Trotz Pein, die mir das Leben war,
man sah kein Zucken, sah kein Toben.
Des Schicksals Schläg in großer Schar.
Mein Haupt voll Blut, doch stets erhob’n.

Jenseits dies Orts voll Zorn und Tränen,
ragt auf der Alp der Schattenwelt.
Stets finden mich der Welt Hyänen.
Die Furcht an meinem Ich zerschellt.

Egal, wie schmal das Tor, wie groß,
wieviel Bestrafung ich auch zähl.
Ich bin der Meister meines Los’.
Ich bin der Käpt’n meiner Seel.

Übersetzung gefunden auf: https://de.wikipedia.org/wiki/Invictus_(Gedicht)

Angelikas Wunder-Brief

vom 3./4. März 2020

Sei klug und halte Dich an Wunder

(Mascha Kaléko)


Ihr Lieben,
während ich hier am 9.Tag meines Aufenthaltes in Tübingen in einem warmem Bett sitze und von liebevollen Menschen umsorgt werde, laufen Menschen –Väter-Mütter und Kinder- um ihr Leben: aus Syrien und anderswo, in der Kälte, durch Wasser, durch Stacheldraht, ohne Versorgung mit dem Nötigsten, konfrontiert nicht mit liebevoll auffangenden Menschen wie ich hier, sondern konfrontiert mit wütenden, weil vermutlich inzwischen überforderten griechischen Grenzern, konfrontiert mit einem wütenden Mob, im Stich gelassen von sehr vielen aus den Reihen der Politikerinnen, die nicht müde werden zu betonen, warum es so wichtig ist, jetzt nicht Mensch zu sein, sondern Grenzen zu sichern, Grenzen zu sichern, Grenzen zu sichern. …und nur keine Menschen über diese Grenzen hinüber zu lassen. Ich schäme mich heute, dass ich Europäerin bin, und dass wir es zulassen (müssen?), dass unsere elementarsten Werte gnadenlos mit Füßen getreten werden, und es tatsächlich möglich ist, dass wir im 21. Jahrhundert über Menschen sprechen wie über Waren, die man annehmen kann oder auch nicht. Ich bin wütend, ich bin fassungslos und kann es nicht glauben.

Eigentlich will ich Euch nur kurz ein bisschen mitteilen von meinem ganz persönlichen Zustand. Einfach deshalb, weil ich so oft gefragt werde, und ich auch ein bisschen vermute bzw teilweise weiß, dass sich manche von Euch Gedanken machen und Sorgen. Und darauf möchte ich versuchen eine Antwort zu geben, und zwar meine eigene. Aber das geht zusammen mit dem, was ich eben gerade geschrieben habe: Alles ist sehr relativ. Man muss nichts vergleichen, aber darf auch über Tellerränder hinaus schauen.

Meine Physische Situation: Ich hatte nach Weihnachten wieder ein 3 –Monats-CT, das einen
Wachstum meiner Metastasen gezeigt hat. Daraufhin habe ich eine neue Therapie bekommen:
Olaparib plus eine spezielle Chemo, die vor allem schnell arbeiten sollte, das hat sie auch getan, allerdings in die andere Richtung: Die Metas sind schnell weitergewachsen. Da es sich bei diesen Metas um solche handelt, die einem die Luft auch ganz schön schwergängig machen, habe ich jetzt einen Stent irgendwo in der Luftröhre. Das ist gut, macht atemfrei, war auch anstrengend, aber- wie bereits gesagt- umsorgt und sehr herzlich begleitet hier in der Tübinger Uniklinik. Diese Diagnosen machen vielleicht Angst- und Angst lähmt sehr und macht zittrig, auch mich gelegentlich. Ich habe keine Ahnung, ob ich und wie ich diese Situation hinbekommen werde. Ich kann Euch auch keine Prognosen sagen: ich habe bisher erfolgreich jede Prognose abgelehnt, weil ich Prognosen als festlegende Urteile über Zeitpunkte oder Zeitrahmen erlebe (bei Mitpatienten) mit einem Zug von sich selbst erfüllender Prophezeiung. Niemand weiß wirklich, was wann mit uns passieren wird. Und ich schaue lieber auf das, was stärkt, z.B. die gesunden Zellen (die ich tatsächlich auch noch habe, auch wenn sie nach über
einem Jahr Chemotherapie ein wenig lahmen), aber auch auf die halbvollen Gläser und die weißen Blätter eines Buches statt die schwarzen Ränder.

Ich werde jetzt keine Chemo mehr machen- auch wenn es immer noch 7 Sorten gibt, die man noch versuchen könnte- sondern ich werde jetzt erstmal mit Strahlen arbeiten und gleichzeitig eben meinen gesunden Zellen Empowerment zukommen lassen.

Dann gibt es noch die anderen Ebenen: Gleichzeitig gibt es sehr gute Gründe, warum ich jetzt noch nicht vom Irdischen verschwinden möchte. Ich habe noch viel zu tun. Ich will auch noch viel erleben, noch arbeiten , und vor allem: ich will noch leben!
Ich kenne die geheimen Ideen nicht, die im Weltenplan existieren. Mag sein, dass ich mich irre mit meinem Vorhaben, das Projekt Krebs zu stoppen und irgendwie eine friedliche Koexistenz hin zu bekommen. Irgendwie denke ich aber, dass ich es als Betroffene doch spüren müsste, sollte ich jetzt gehen müssen. Ich fühle es nicht.
Ich fühle andere Dinge, die mir sagen: Finde den Weg, und gehe ihn! Ich weiß nicht, ob ich ihn schon genau kenne, aber ich spüre, dass es ihn gibt. Und wenn es ihn nicht gäbe, und in mir nur ein Bild leben würde, das „unrealistisch“ wäre (angesichts von Befunden, die sich in Arztbriefen manifestieren), dann wäre es für mich dennoch richtig. Wer mag denn urteilen darüber, was realistisch ist und was nicht?


„Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist“ (ich glaube, Ben Gurion hat das mal gesagt). WOW. Auch wenn ich politisch in der Palästinafrage ganz anders denke als er dachte- dieser Satz hat mich immer wieder begleitet. Unsere Mutter hat mich übrigens das mit den Wundern gelehrt, und ich bin ihr dankbar dafür.

Vielleicht muss es auch gar kein Wunder sein. Vielleicht reicht auch der Satz eines jungen Arztes hier: „Sieht herausfordernd aus, aber wir haben da noch Etliches an Ideen“
Ja, ich bin dankbar, bei allem, was manchmal auch ganz schön schwer war in den letzten Wochen- ich bin dankbar und freue mich riesig darüber, dass meine Atmung wieder gut funktioniert, dass so Vieles plötzlich wieder geht, was temporär schwer ging, dass ich irgendwann bald auch wieder „arbeiten“ darf, und dass es vor ganz viele liebe Menschen gibt, die mich unterstützt haben, allen voran meine lieben Kinder.
Und am liebsten würde ich Euch bitten, die Möglichkeit nicht auszuschließen, dass es auch in sehr schwierigen Momenten Möglichkeiten von Entwicklung gibt. Ich glaube, dass man das dann Wunder nennen könnte.

Daher schließe ich mit Hilde und schicke Euch allen herzliche Grüße
Angelika/ Tille / Luhu

„Nicht müde werden
sondern dem Wunder
leise
wie einem Vogel
die Hand hinhalten“

(Hilde Domin)

Karlsruhe- Inzwischen ist es der 5.3.2020: ich bin seit heute wieder zuhause- ein äußerst angenehmes Gefühl. Und wieder muss ich an all die denken, die im Moment gar kein Zuhause haben und doch so dringend eines bräuchten. Es ist schwierig für mich nichts wirklich tun zu können. Außer sehr dankbar sein, dass ich gerade sehr aufgehoben bin.
Mit meinen Töchtern habe ich vereinbart, dass es vielleicht ganz gut ist, wenn Ihr ihre email- Adressen habt. Mir selbst wächst das manchmal ein kleines bisschen über den Kopf, alle Nachfragen gut zu beantworten. Und wenn jemand das Gefühl hat, er müsste jetzt aber doch dringend etwas wissen, dann stehen Hanna und Lena bzw ihre Postfächer bereit unter
lenahuber@web.de bzw ra.hannaniang@gmail.com

Ich selbst werde mich ab morgen ins Reich der Strahlen begeben und meine Hand immer wieder – wie einem Vogel – hinhalten

Herzliche Grüße nochmals an alle und eine gute Zeit!

Vorstellung an der Waldorfschule Karlsruhe

Im Jahr 1994 stellte sich Angelika mit folgendem Schreiben an der Freie Waldorfschule Karlsruhe vor:

Nun soll ich mich hier vorstellen, aber es fällt mir unglaublich schwer, aus irgendwelchen Ordnern Jahreszahlen herauszusuchen, die meinen Studien-, Arbeits- oder Wohnortwechselverlauf dokumentieren könnten. Ich mag es – glaube ich – nicht angesichts der Empfindungen, die mich hier an dieser Schule begleiten. Ich spüre, dass ich an einem wunderbaren Punkt angekommen bin; wie bei einer Wanderung, bei der ich Umwege gegangen bin und mich ein paar Mal verlaufen habe, aber plötzlich auf einem herrlichen Berg gelandet bin, der mich gar nicht anregt, die genauen Einzelheiten des Aufstiegs zu rekonstruieren, sondern der mich einfach froh stimmt, weil ich angekommen bin. Ja, ich bin angekommen, was nicht heißt, dass ich hier stehen bleiben darf.


Aufgebrochen bin ich als Kind, vielleicht ganz früh schon, aber da war immer die Musik, die mich sanft und doch deutlich geformt und oft besänftigt hat.

Unsere Wohnung war von vorne bis hinten durchdrungen von dieser Kunst: die Eltern lebten davon, die 5 Geschwister taten es alle – irgendwie, auch ich natürlich. Wir nannten es immer zynisch „Wohnungsmusik“, weil wir viel zu arm für ein Haus und damit „Hausmusik“ waren. Aber wir betrieben Wohnungsmusik mit Leidenschaft. Aber irgendwann, so um die 15/16 Jahre, da ging bei mir nichts mehr! Nein, so nicht! Ich wollte nicht mehr harmlos Flöte spielen, wenn in Vietnam ein grausamer Krieg geführt wurde, wenn im Obdachlosenviertel nebenan Menschen in Verzweiflung und Angst vor dem nächsten Tag lebten.

Ich bekam Schwierigkeiten, meine Lehrer ernstzunehmen. Konnte es wirklich sein, dass sich deren Interesse nur auf meine Griechisch- und Lateinkenntnisse beschränkte, konnte es wirklich sein, dass es sie nichts anging, wie Menschen auf der Welt und auch ganz nahe bei uns, in Angst und Schrecken lebten?

Ich wollte, dass sie uns halfen, die Welt zu verändern, aber mit diesem Wunsch wurden meine Zeugnisse nach und nach schlechter. Da wusste ich, dass ich selbst Lehrer werden musste. Und dann begann ich radikal zu werden, ich wollte an die Wurzeln der Probleme! Wege, Umwege und auch Irrwege bin ich gegangen, im Außenleben Musik studiert, Pädagogik studiert, Lehrerin geworden, an verschiedenen Schulen meine radikalen Träume mit realen Schultatsachen konfrontiert, und immer wieder flackerte dazwischen die Musik irgendwo auf. Sie, die ich einst wütend von mir gestoßen hatte, weil ich es nicht aushalten wollte, dass sie sich Kaufhausmanagern dienlich machte, weil ich ihren vermeintlichen Verrat an Herrschende nicht billigen wollte, sie war es letztlich, die mir das Tor zu einer anderen Welt öffnete.

Als mein zweites Kind klein war, habe ich – während der Schwangerschaft mit dem dritten, in der ich ziemlich krank war – wieder angefangen ganz viel Musik zu machen. Lena war dabei. Und in den Augen des Kindes las ich, dass meine Weltänderungsversuche gar nichts sein konnten, weil ich etwas noch gar nicht richtig gelernt hatte: Demut und Dankbarkeit. Und beim Musizieren – mit dem Kind im Leib und dem anderen nebendran auf dem Klavierhocker – flossen diese Empfindungen bis in mein Innerstes hinein. Ich durfte lernen, mit anderen Augen die Welt zu betrachten und ich hatte das Gefühl, dass ich ständig so reich beschenkt wurde:
Lehrer, die Kinder in ihrem Wesen so liebevoll annehmen, Menschen, die sich nicht scheuen, um Fragen und Antworten zu ringen und jede Menge Möglichkeiten, die in mir selbst lagen.
Mein Ziel wurde immer klarer: ich bin weitergegangen, einen holprigen immer auch absturzgefährdeten Weg mit Schlaglöchern, begleitet von lieben Menschen, Seminar vormittags, Geldverdienen nachmittags, um alles herum Menschen, die es mitgetragen haben. Ich habe Entscheidungen getroffen, die nicht immer fröhlich waren, aber wichtig, um weitergehen zu können.


Nun bin ich hier, wirklich voller Dankbarkeit, beschenkt mit dem Vertrauen eines wunderbaren
Kollegiums und dem von Kindern und Eltern. Ich durfte Vieles lernen, auch dort, wo ich heute nicht mehr sein kann und Vieles dort, wo ich heute bin und bleiben möchte, um weiterzuarbeiten. Der flackernde Funke meiner einstigen Jugend hat sich verwandelt und heute fände ich es vermessen, Ziele hier an dieser Stelle zu formulieren, aber ich kann sagen, was ein guter Begleiter sein kann:


Die Musik und mit ihr die Freude und die Ehrfurcht, die uns die Grundlage für alles
Weitere – Wesentliche werden mag.